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Bio-psycho-soziales Krankheitsmodell: Wechselwirkungen zwischen Körper, Person und Umwelt
Modernes Krankheitsverständnis
Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell ist das heute
gängige Krankheitsverständnis in der modernen
Medizin. Es gibt keine rein organische, rein psychische
oder typisch psychosomatische Erkrankung.
Alle Krankheiten werden in jeweils unterschiedlichem
Ausmaß bestimmt durch biologische, psychologische,
soziale und gesellschaftliche Faktoren. Demnach haben
primär körperliche Erkrankungen (z.B. Krebs, Diabetes,
Bandscheibenvorfall, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Magen-Darm-Erkrankungen, seelische und soziale
Folgen, oft auch psychosoziale Auslöser oder Verstärker,
die die körperliche Krankheit verschlimmern.
Andererseits spielen auch bei primär psychischen
Störungen (z.B. Depressionen) körperliche Faktoren
eine große Rolle. Jede Krankheit umfasst vier Aspekte:
1. Körperliche Aspekte (Biologie):
- angeborene körperliche Faktoren
- erworbene körperliche Faktoren
- aktuelle körperliche Faktoren
2. Psychologische Aspekte (Person):
- Denkmuster
- Gefühle
- Verhalten
3. Soziale Aspekte (Umwelt):
- Familie und Partnerschaft
- Beruf
- außerberufliche Sozialkontakte
4. Gesellschaftliche Aspekte:
- sozioökonomische Situation
- Kultur
- Ökologie
Zentrale Punkte des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells
1.
Die frühere Unterscheidung zwischen organischen und psychischen
bzw. psychosomatischen Erkrankungen ist zu einseitig, weil sie auf
einer entweder-oder-Sichtweise (entweder rein organisch oder rein
psychisch bedingt) beruht statt auf einer sowohl-als-auch-Sichtweise
(sowohl körperlich als auch psychosozial beeinflusst). Die übliche
Unterscheidung von Krankheiten in körperliche, psychosomatische
und psychische Störungen vernachlässigt die multifaktorielle
Bedingtheit von Krankheiten.
2.
Der Begriff der psychosomatischen Erkrankung ist veraltet, weil er bei
diesem Konzept überflüssig wird. Bei jeder Erkrankung bestehen
biologische, psychologische, soziale und ökologische bzw.
gesellschaftliche Aspekte, die während der ganzen Behandlung zu
berücksichtigen sind, um maximale und anhaltende
Behandlungseffekte zu erreichen.
3.
Die strikte Unterscheidung zwischen krank und gesund ist überholt.
Menschen sind auf der biologischen, psychologischen und öko-
sozialen Ebene mehr oder weniger funktionsfähig und sollen durch
eine Behandlung die bestmögliche Verbesserung, Funktionsfähigkeit
und Lebensqualität erreichen.
4.
Gesundheit ist ein relativer Begriff und kann nicht nur einseitig in
Bezug auf einen medizinischen Idealzustand definiert werden.
Gesundheit ist nicht einfach die Abwesenheit von jeder Krankheit (es
gäbe dann kaum wirklich völlig gesunde Menschen), sondern die
Fähigkeit, aufgrund der vorhandenen Stärken (Ressourcen) die
organischen, psychologischen und öko-sozialen Störungen so
beeinflussen und kontrollieren zu können, dass zentrale Lebensziele
weiterhin verwirklicht werden können.
5.
Verschiedene Berufsgruppen (nicht nur Ärzte) sind bei der Behandlung
primär körperlicher Erkrankungen von Bedeutung.